Zwischenbilanz vom Projekt „Verwenden statt verschwenden – klimafreundlich essen bei der Solawi Marburg“

Bevor nun das nächste Wirtschaftsjahr und somit auch die nächste Wachstumsperiode beginnt, möchte ich nun einmal das letzte Projektjahr bilanzieren und schauen, was in diesem letzten Projektjahr möglich und sinnvoll ist. Es geht um Ackereinsätze, Verarbeitungsmethoden (welche sind am nachhaltigsten?) und um uns als Solawi-Gemeinschaft.

 

(Nach-)Ernteaktionen und Ackereinsätze in Kirchvers und Stedebach

Für mich persönlich war es immer wieder total spannend auf dem Acker zu stehen. Das Gemüse, was ich sonst im Verteilpunkt abhole, in der Erde zu sehen, ihm beim Wachsen zu helfen oder zu ernten. Durch zusätzliche Infos von Uwe und Clemens habe ich die Gemüsekreisläufe viel besser nachvollziehen können und hatte so das ein oder andere Aha-Erlebnis. Durch mein eigenes Anpacken auf dem Acker, sei es Unkraut jäten, Ernten oder Kisten packen und tragen, merke ich, was für eine (Knochen-)Arbeit dahinter steht. Ich kann nun das, was ich jede Woche auf meinem Teller habe, NOCH mehr wertschätzen! Es lohnt sich also ab und zu mit auf den Acker zu kommen, und auch andere Solawi-Mitglieder kennenzulernen.

Bei der Organisation der Ackereinsätze und spontanen Nachernteaktionen ist deutlich geworden, dass die Erreichbarkeit der Kirchverser Äcker für viele ein Problem darstellt. Mit dem Fahrrad von Gießen oder Marburg nach Kirchvers sind es ca. 1,5-2h. Wer mit dem Zug bis nach Friedelhausen fährt, hat die wenigsten Hügel zu erklimmen, aber trotzdem noch ca. 40 Minuten Radfahrt vor sich. Da ist ein Besuch auf dem Acker fast ein Ganztagesausflug. Der kann sich aber lohnen! Ich hatte wunderbare Fahrten mit dem Rad, bei sonnigem Wetter, wunderbaren Gesprächen, einer gemütlichen Mittagspause und Spaß am Gärtnern.

Verständlicherweise ist trotzdem so eine Aktion für manche zu aufwändig. Und so kamen oft nicht sehr viele Menschen zum gemeinsamen Ackern mit dem Rad, sodass einige Ackereinsätze auch ausfielen. Wenn ich mein Auto zur Verfügung stellte, hatte ich das Gefühl, dass mehr Menschen Interesse zeigten. Obwohl es nicht das nachhaltigste Transportmedium ist, hier ein kleiner Aufruf: Es wäre schön, wenn sich zu solchen Aktionen auch Fahrgemeinschaften bilden könnten! Ein Selbst-Orga-Pad wird immer eingerichtet sein, über das ihr euch vernetzen könnt.

Die Onlineumfrage (im Rahmen der Anmeldung zur Finanzierungsrunde) zeigte, dass viele lieber am Wochenende auf den Acker fahren würden. Dafür gibt es einmal im Monat (gewöhnlich jeden letzten Samstag) den Ackereinsatz. Sicherlich wird es diesen auch dieses Jahr wieder geben, vermutlich ab Mai…..merkt es euch doch schon mal vor! Weitere spontane Nachernteaktionen wird es wohl eher unter der Woche geben, wenn Uwe und seine Mitarbeitenden eh auf dem Feld sind.

 

Es gibt soo viel zu ernten und zu verarbeiten!

Die Ackerbesuche in Kirchvers zeigten mir, wie viel es zu ernten gibt! Und – auch in den Solawi-Kreisläufen – wie viel nicht geerntet wird/werden kann und wie viel auch leider manchmal in den Kisten der Verteilpunkte übrig bleibt. Ein interessantes Beispiel: bei Weiß- und Chinakohl hatten einige schon vor der Ernte braune Stellen. Bis zur Ernte wären sie vergammelt und auch schon bei früherer Ernte nicht lagerfähig. Sprich: die Beete durchstreifen, die Köpfe ernten, die schon braune Stellen haben, und schnell verarbeiten. Wir haben versucht die Köpfe zu zählen, es waren wohl an die 100 Stück! Aus denen haben wir dann Kimchi für einige VPs hergestellt. Hier ist mir so klar geworden, wie sinnvoll das „Verwenden statt Verschwenden“-Projekt ist. Denn sonst wäre mit den Kohlköpfen nichts passiert, da Uwe und seine Mitarbeiten dafür keine Zeit hatten.

Ähnliche Geschichten gab es bei den Möhren, den Bohnen und Zucchini….und wir haben nicht mal alles geerntet, was geerntet hätte werden können! Mir tat es jedes Mal so leid, wenn wir doch noch Gemüse auf dem Acker liegen lassen mussten, weil wir zu wenig Zeit hatten und ich wusste, dass wir bei der Verarbeitungsaktion nicht alles verarbeiten können.

Besonders bei solchen Aktionen – Nachernte und Verarbeitung/Haltbarmachen – ist eine gute Absprache und Organisation gefragt. UND VIELE HELFENDE HÄNDE! Je mehr Menschen mit ernten, desto mehr Gemüse kann gerettet werden, desto mehr kann verarbeitet und verteilt werden und in unseren Bäuchen landen :)

Daher möchte ich in nächster Zeit den AK Mitmachen (den es vor einigen Jahren gab) wieder beleben: Eine Gruppe von Mitgliedern, die sich um solche Aktionen kümmert – mit Uwe absprechen, Mitglieder informieren, Fahrgemeinschaften organisieren, Transport/Logistik, Verteilung oder Verarbeitung. Zur Zeit läuft das noch über die Projektstelle, aber ab 2020 gibt es dafür keine finanziellen Mittel mehr.

 

Klimafreundlicher verarbeiten

Mehr Gemüse vom Acker holen, per Hand – klar, das ist ressourcenschonend, energiesparend und verringert den Zukauf von nicht-regionalen Produkten im Supermarkt. Aber die Verarbeitung?

Schmeckt das Eingemachte (meistens ja süß-sauer) denn so gut, dass es einen Gang zum Supermarkt ersetzt? Ist das stundenlange Einkochen am Herd CO2-einsparender als regionales Lagergemüse aus dem Supermarkt? Bei unseren Einkochaktionen haben wir gestaunt, wie lange der Herd für große Mengen an ist. Spart es Energie in großen Mengen einzukochen, oder ist es energiesparender in kleinen Mengen in der eigenen Küche selber einzukochen? Zahlen, die dies belegen, habe ich bisher noch nicht. Wer Infos hat, melde sich gerne!

Daher eine deutlich bessere (und vielleicht auch schmackhaftere) Alternative: Fermentieren, oder auch milchsauer vergären! Mit Kimchi, Sauerkraut und Möhren haben wir uns letztes Jahr schon ausprobiert. Warum nicht auch Tomaten, Zucchini, Kürbis, Pastinake und Co.? Gärgefäße sind vorhanden und Salz auch schnell besorgt. Das will ich zumindest mal angehen.

Organisatorisches Geschick braucht es bei der Lagerung und der direkten Verteilung. Während der Fermentation sollte regelmäßig kontrolliert werden (genaue Zeitangaben sind bei solchen natürlichen Prozessen schwer zu machen, da von vielen Faktoren abhängig). Nachdem das Gemüse fertig fermentiert ist, sollte es bestenfalls kühl gelagert werden. Daher am besten direkt bei euch zu Hause. Das sollte jedoch kein Hindernis sein, sondern bestenfalls eine kleine Herausforderung ;)

Eine Gruppe von Menschen hat letzten Sommer einen Solardörrer gebaut. Dieser trocknet Gemüse und auch Obst, nur mit Sonnenenergie! Dieser ist noch nicht perfekt, aber nutzbar. Also eine wunderbare Alternative zum Einkochen. Warum nicht noch ein paar mehr Solardörrer bauen, die in Gießen und Marburg stehen und von uns Mitgliedern befüllt werden können?!

Regionale Kreisläufe und Wertschöpfungsketten erkunden, über die Solawi hinaus

Was gibt es noch, außer Gemüse und Obst, dessen Kreisläufe wir regional betrachten könnten?

Im letzten Jahr hat sich ganz lose eine „Kräutergruppe“ gefunden. Wir haben ein paar Kräuter gesammelt, aber auch Zwetschgen, Holunder und Birnen eingekocht. Wofür können wir regionale Kräuter nutzen? Für Tee und Schnaps, für Tinkturen, Kosmetik (Salben, Seifen) oder auch zum Räuchern. Meldet euch bei mir, ich nehme euch auf den Kräuter-Verteiler.

Andere regionale Kreisläufe könnten sein: „Vom Getreide zum Brot, zur Pizza oder zu den Nudeln“, „Von der Milch zum Käse“, „Von der Wolle zur Socke“, „Von der Weide zum Korb“, „Vom Honig zum Met“,…..

Gemeinsam schaffen, SoLawi nach Außen tragen

Solawi ist mehr als nur Gemüse-Konsum. Solawi trägt zum gesellschaftlichen Wandel bei und ist ein politisches Zeichen. Weg von Gentechnik, weg von kapitalistischen Wirtschaftsweisen und der Macht weltweiter Riesenkonzerne. Hin zu Ernährungssouveränität! Erzeugung, Verteilung und Verbrauch beruhen hier auf sozialer, wirtschaftlicher und umweltbezogener Enkeltauglichkeit. Dieser Anspruch soll nicht nur in unserer immer noch recht kleinen öko-sozialen Blase bestehen, sondern auch nach Außen getragen werden. Dass das passiert, sehen wir an den zunehmenden Mitgliederzahlen….obwohl der Verein selbst kaum Mitgliederwerbung betrieben hat. Auch das Projekt „Verwenden statt verschwenden“ soll diesen Anspruch erfüllen, nach Innen und Außen.

Der Verein lebt von uns Mitgliedern. Er kann und darf durch uns gestaltet werden und sich verändern. Am meisten Spaß macht es in Gemeinschaft! Auch um diesen gemeinschaftlichen Aspekt soll es in dem Projekt gehen. Wie viel Freude macht es, mit Gleichgesinnten etwas zu machen, für etwas zu stehen und dieses nach Außen zu tragen!

Durch unsere Mithilfe, z.B. bei den Ackereinsätzen, erhöhen wir die CO2-Effizienz durch zusätzliche Handernte. Außerdem tragen wir dazu bei, dass auf dem Hof weniger Überschüsse zurückbleiben und dafür mehr regionale, biologisch angebaute Lebensmittel in unseren Küchen landen. Die Verarbeitungsaktionen machen es möglich die Überschüsse länger haltbar zu machen, damit wir auch im Winter etwas davon haben. Auch hier: Je mehr Menschen mitmachen, desto mehr können wir ernten und verarbeiten….und diese Einstellung auch nach Außen tragen.

Mir hat es bei den Veranstaltungen unglaublich Spaß gemacht, mein Wissen zu teilen und gleichzeitig von anderen Neues zu lernen, denn wir sind alle Expert*innen. Auch so ändert sich was, nicht nur auf dem Acker und dem Teller, sondern auch in uns.

Wenn ihr nun weitere Ideen habt, oder auch Interesse einfach nur mitzumachen, meldet euch gerne, ich freue mich über Post!

 

Herzliche Grüße

Cécile für das Projekt „Verwenden statt verschwenden“