"Mein Name ist Chris, ich komme aus Nicaragua und ich bin Feministin." So stellt sich unser Besuch aus Südamerika vor (auf dem linken Bild unten ist sie die Person rechts). Ich bin gleich beeindruckt, dass sie diesen Aspekt in den Vordergrund stellt, und gespannt, mehr über ihr feministisches Engagement zu erfahren. Es wird sehr schnell deutlich, dass sich die Herausforderungen in Nicaragua gar nicht so sehr von den hiesigen unterscheiden. So muss sie, ähnlich wie viele Frauen in Deutschland, die Zeit für ihren Einsatz dem Alltag abtrotzen. Die Familie hat nicht immer Verständnis dafür, wenn sie etwa, so wie jetzt, die Care-Arbeit anderen überlässt und nach Deutschland reist. Und natürlich berichtet sie auch davon, was sie, zusammen mit der FEM (Fundación entre Mujeres), konkret zur Verbesserung der Situation der Frauen tut: Da ist zum einen das Empowerment, also die Bestärkung von Frauen, die eigene wirtschaftliche Ziele verfolgen; denn viele möchten zwar ihre selbst angebauten Produkte verkaufen, trauen sich den wirtschaftlichen Aspekt aber nicht zu und überlassen diesen ihren Männern. Deshalb wurde die FEM gegründet, eine Organisation, in der Frauen unter sich sind - übrigens nicht nur junge, sondern ebenso ältere Frauen. Auch Kenia (auf dem Bild unten sitzt sie in der Mitte) fühlt sich in dieser Gemeinschaft wohl. Sie bearbeitet 5 halbe Hektar und bewahrt dabei u.a. auch alte Sorten. Sie sagt: "Durch die FEM kann ich eine Verbindung mit der Erde schaffen, die ohne Gewalt und damit auf bessere Weise funktioniert." Diesen Schutz vor Gewalt bietet die FEM durch die Stärkung ökonomischer, aber auch emotionaler Unabhängigkeit; darüber hinaus gibt es konkrete Maßnahmen wie die Bereitstellung von Wohnraum für von Gewalt Betroffene. Ein anderer Ansatz ist die frühe Sensibilisierung für das Thema bei Kindern und Jugendlichen. "Das patriarchalische System des machismo ist in den Köpfen verankert und nur durch Bildung bekommen wir es da heraus", sagt Chris.
Eng verknüpft mit diesen feministischen Kämpfen ist für die beiden das Thema Umwelt- und Naturschutz. Diesen setzen sie nicht nur in ihrem Anbau von Kaffee und weiteren Produkten - darunter Honig, Hibiskus und Gemüse - um, sondern darüber hinaus engagiert sich bspw. Kenia in einem Netzwerks von Umweltschützer*innen, die u.a. auch Radiosendungen machen. Gemeinsam wollen sie dieses Jahr eine Schule gründen, die die Züchtung klimaresilienter Arten voranbringen soll. Den Klimawandel spüren die Frauen bereits jetzt sehr stark: So bedroht ein Pilz die Kaffeepflanzen. Auch deshalb diversifizieren sie ihren Anbau und produzieren seit Neuestem z.B. Sonnenblumenöl - seit einiger Zeit ja ein besonders begehrtes Gut. Bei der Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der Frauen in der FEM spielt der faire Handel - z.B. mit dem Weltladen und der Solawi - eine entscheidende Rolle. Durch die höheren Preise können sie sich gegenüber Männern durchsetzen, die ihren Kaffee auf konventionellem Weg vertreiben.
Dieses Sich-Durchsetzen erleben Chris und Kenia immer wieder auch auf persönlicher Ebene. Kenia erzählt, dass es früher in ihrer Familie normal war, dass sie den Brüdern das Essen serviert. Ihre Arbeit in der FEM hat sie darin bestärkt, sich das nicht mehr gefallen zu lassen. Seit sie einen großen Teil zum Haushaltseinkommen beiträgt, kann sie sich auch mal hinsetzen und bekommt selbst das Essen serviert!
Info: Die FEM produziert die Kaffeebohnen, die von il gusto! in Weidenhausen als Kaffee und als Espresso geröstet werden und den wir in der Solawi Marburg als Abo vertreiben. Weitere Infos zum Kaffeeanteil gibt es hier.